Ungebrochene Gewalt gegen Flüchtlingskinder – Forum Menschenrechte startet bundesweite Kampagne zur Umsetzung der Konventionen
19. November 2004Ungebrochene Gewalt gegen Flüchtlingskinder – FORUM MENSCHENRECHTE startet bundesweite Kampagne zur Umsetzung der Konvention
Zum 15. Jahrestag der Verabschiedung der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen am 20. November startet das FORUM MENSCHENRECHTE – ein Netzwerk von 45 deutschen Menschenrechts-, Flüchtlingsschutz- und Kinderrechtsorganisationen – die bundesweite Kampagne „Alle Kinder haben Rechte. UN-Kinderrechtskonvention vorbehaltlos umsetzen!“. Anlässlich der Vorstellung dieser Kampagne fordern Vertreter und Vertreterinnen des FORUMS mit Nachdruck von der Bundesregierung die Rücknahme der Vorbehaltserklärung und eigene gesetzliche Regelungen zur Verbesserung der Situation von Kinderflüchtlingen.
„Auch zum 15. Jahrestag der UN-Kinderrechtskonvention erfahren Flüchtlingskinder in Deutschland statt einer Kultur des Friedens, der Gewaltlosigkeit und Demokratie ungebrochen eine Kultur der Gewalt, behördlicher Willkür, gesetzlicher Ungleichbehandlung, politisch gewollter und gesetzlich abgesicherter Ausgrenzung und Benachteiligung“, erklärt Heiko Kauffmann, Vorstandsmitglied von PRO ASYL und Aktion Courage. „Auch im Zuwanderungsgesetz sind die Forderungen bezüglich der besonderen Schutzbedürftigkeit von minderjährigen Flüchtlingen in keiner Weise berücksichtigt worden.“ Das FORUM MENSCHENRECHTE sieht daher an der Schwelle zur zweiten Hälfte der UN-Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit für die Kinder der Welt und zur Halbzeit der rot-grünen Legislaturperiode einen dringenden politischen und rechtlichen Handlungsbedarf.
Barbara Dünnweller von der Kindernothilfe verweist auf den bereits lang anhaltenden rechtspolitischen Streit um die Richtigkeit der Abgabe der Erklärung: „Inzwischen gibt es vier Entschließungsanträge des Deutschen Bundestages, in denen die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert wird; doch geschehen ist bisher nichts. Das geht eindeutig auf das Konto von Innenminister Schily, der seine Verantwortung hinter der angeblichen Zuständigkeit der Bundesländer versteckt. Dabei hat das Gutachten von Dr. Erich Peter ergeben, dass der Bund in dieser Frage über eine grundlegende Entscheidungskompetenz verfügt.“
Für das FORUM MENSCHENRECHTE berührt es die politische Glaubwürdigkeit der rot-grünen Regierungskoalition, die gerade auch aus der Betonung einer größeren Beachtung der Menschenrechte ihre Legitimation bezieht, ob sie ihr im Koalitionsvertrag vom 16.10.2002 abgegebenes Versprechen bezüglich der Rücknahme der Vorbehalte einhält.“
Albert Riedelsheimer vom Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V. erläutert die inhaltlichen Forderungen der Verbände für eine eigene gesetzliche Regelung: „Da das Zuwanderungsgesetz nicht mit der notwendigen Sorgfalt und Angemessenheit auf die Situation von Kinderflüchtlingen eingegangen ist, bedarf es gesetzlicher Regelungen, dem Schutzpostulat für diese Kinder und Jugendlichen endlich Rechnung zu tragen.“
Das FORUM MENSCHENRECHTE fordert:
- Clearinghäuser in allen Bundesländern und Handlungsfähigkeit im Asylverfahren erst ab 18 Jahren,
- keine Drittstaaten-Regelung und kein Flughafen-Verfahren für Minderjährige,
- Altersfestsetzungsverfahren nur in Ausnahmefällen (durch Vormundschaftsgerichte in rechtsstaatlichen Verfahren),
- uneingeschränkte Teilhabe von Flüchtlingskindern an der sozialen Struktur (Schulbesuch, Ausbildung),
- Teilhabe am Gesundheitssystem und Gewährung therapeutischer Hilfen,
- Unterbringung in Einrichtungen der Jugendhilfe, qualifizierte Betreuung,
- keine Abschiebungshaft für Minderjährige sowie Aufhebung des Ausweisungsgrundes‚ Inanspruchnahme von Kinder- und Jugendhilfe’,
- Bestellung von Vormündern für alle unbegleiteten Minderjährigen.
Das FORUM MENSCHENRECHTE und seine Mitgliedsorganisationen fordern die Bundesregierung, die Länder, das Parlament und die Ausschüsse des Deutschen Bundestages mit äußerster Dringlichkeit auf, eine konzertierte Aktion zur endgültigen Rücknahme der Erklärung und zur Verbesserung der Situation von Kinderflüchtlingen in die Wege zu leiten. 15 Jahre nach Verabschiedung der KRK durch die UN-Vollversammlung ist es an der Zeit, dass alle Kinder in Deutschland ihre Rechte wahrnehmen können. Dies wäre auch ein wichtiges Signal der Politik im Kampf gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit, dokumentierte es doch, dass der in der UN-Konvention verankerte Grundsatz des Kindeswohls oberste Priorität im Umgang mit allen Kindern in Deutschland hätte und die deutsche Gesellschaft die Ausgrenzung, Diskriminierung und Ungleichbehandlung von Kindern ohne deutschen Pass nicht länger zuließe.
Der Flyer „Alle Kinder haben Rechte. UN-Kinderrechtskonvention vorbehaltlos umsetzen!“ kann beim FORUM Menschenrechte ebenso abgerufen werden wie Informationen über die Organisationen der Arbeitsgruppe Kinderrechte im FORUM, zu denen Aktion Courage, Bundesfachverband UMF e.V., Kindernothilfe, PRO ASYL und terre des hommes gehören.
Die deutsche Ratifikationserklärung zur UN-Kinderrechtskonvention im Diskurs
Dokumentation der rechtspolitischen Kontroverse um eine Rücknahme der deutschen Ratifikationserklärung
von Dr. jur. Erich Peter
Kategorisiert in: Aktuelles, Asyl- und Migrationspolitik, Bundestag und Bundesregierung, CRC, Pressemitteilungen