Zivilgesellschaftlicher Aufruf zur Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung
20. April 2010FORUM MENSCHENRECHTE unterstützt Appell an die Bundesjustizministerin.
Das FORUM MENSCHENRECHTE appelliert gemeinsam mit einem breiten Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen an die Bundesjustizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, auf die Wiedereinführung der sechsmonatigen Speicherung aller Kommunikationsverbindungsdaten zu verzichten. Die Ministerin wird aufgefordert, „ungeachtet eines möglichen Vertragsverletzungsverfahrens“ keinen neuen Gesetzentwurf für die sog. Vorratsdatenspeicherung vorzulegen und sich stattdessen „auf europäischer Ebene klar für eine Abschaffung der EU-Mindestvorgaben“ einzusetzen. Der heute veröffentlichte Aufruf wird bisher von 48 Bürger- und Menschenrechtsorganisationen, von zahlreichen Berufsverbänden, Beratungsstellen und Gewerkschaften unterstützt.
Mit dem Aufruf unterstreicht das FORUM MENSCHENRECHTE seine bereits 2006 formulierte Kritik an der verdachtslosen Speicherung von Kommunikationsdaten und erneuert die Forderung nach einer menschenrechtsfreundlichen, europäischen Lösung des Problems. Sven Lüders (Mitglied des Koordinierungskreises): „Mit dem Vertrag von Lissabon wurde im vergangenen Jahr auch die Charta der Grundrechte in Kraft gesetzt und damit der formelle Datenschutz in Europa gestärkt. Wir erwarten nun, dass die Bundesregierung und die Kommission diesen Worten auch Taten folgen lassen und die europäischen Datenschutzstandards stärken.“
Der beste Datenschutz bleibt deren sparsame Erhebung und Speicherung. Jede Datensammlung begünstigt Datenpannen und verleitet zum Missbrauch. Das Sicherheitsrisiko sei bei den Kommunikationsdaten besonders hoch: „Die sechsmonatige Speicherung aller Verbindungsdaten – wer, wann, mit wem von wo und wie lange kommuniziert – erfasst nicht nur unser Kommunikationsverhalten, sondern erlaubt auch weitgehende Aufschlüsse über persönliche Merkmale und Vorlieben. Mit den Verbindungsdaten lassen sich Persönlichkeitsprofile und Bewegungsmuster von bisher unvorstellbarer Dichte erzeugen. In einer digitalisierten Welt ist fast alles, was wir heute tun, anhand solcher Kommunikationsdaten reproduzierbar. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und vertrauliche Kommunikation bekomme daher einen immer höheren Stellenwert.
Das FORUM MENSCHENRECHTE teilt nicht die Auffassung , dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Aufhebung der bisherigen gesetzlichen Regelungen einen quasi rechtsfreien Raum im Internet vergrößert habe, den es nun schnell zu schließen gelte. Noch vor zwei Jahren wurden die Kommunikationsdaten nicht pauschal gespeichert, und dennoch konnten die Behörden viele Straftaten im Internet aufklären.“ Die Rede von einem drohenden Beweisnotstand im Netz zeichne ein verkehrtes Bild der Kontrollierbarkeit: „Die Vorratsdatenspeicherung ist der beste Beweis dafür, dass die repressive Regulierung des Internets weiter voran geschritten ist, als dies bei analogen Medien je vorstellbar wäre“, so Lüders. „Wer wäre schon damit einverstanden, wenn wir Briefkarten künftig nur noch mit Ausweis aufgeben dürften, der Empfänger sich ebenfalls ausweisen müsste und die Post den Briefverkehr noch ganze sechs Monate speichern dürfte?.“
Kontakt: Sven Lüders (Mitglied des Koordinierungskreises des FORUM MENSCHENRECHTE): 01520/1831627
Pressemitteilung als PDF
Brief an die Bundesministerin der Justiz Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als PDF
Positions- und Forderungspapier des FORUM MENSCHENRECHTE zur Vorratsdatenspeicherung von 2006 als PDF
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